
Mindset schlägt Talent: Christian Nemeth über seine neue Rolle als CEO
von Wolfgang Tonninger
Ich komme fast 20 Minuten zu früh zum Termin. Doch das scheint kein Problem. Kurz nachdem ich im Besprechungsraum der Bank in Salzburg Platz genommen habe, erscheint auch schon Christian Nemeth – unaufgeregt und bereit, ohne Umschweife ins Gespräch zu springen. „Wenn ich im Haus bin und keine Termine habe, bin ich flexibel“, kommt er meiner Entschuldigung zuvor. Diese Unaufgeregtheit und Direktheit, denke ich mir, ist genau das, was Kunden von einer Bank erwarten, der sie ihre Vermögenswerte anvertrauen.
Das Gespräch entwickelt sich leichtfüßig —, auch weil man von Beginn an das Gefühl hat, dass da jemand gegenübersitzt, der das „Herumgeplänkel“, wie er es nennt, vermeidet: „Ich bin am Fachlichen interessiert, aber auch an den Persönlichkeiten um mich herum —oberflächliches Blabla ermüdet mich.“ Und damit spannt Christian Nemeth beinahe spielerisch den großen Bogen, in dem er, der das Wertpapiergeschäft von der Pike auf gelernt hat, sich nun seit drei Jahrzehnten bewegt — zwischen hochkomplexen Finanzmärkten und ihren Bewertungstheorien auf der einen Seite und der Herausforderung, die Zusammenhänge im Kundengespräch auf den Punkt zu bringen. „Diese Übersetzung ist gerade im Bereich der Vermögensanlage, wo sich alles um Vertrauen dreht, essenziell, weil hier das Fachliche und das Menschliche ganz nahe zusammenliegen. Das heißt, dass Vertrauen in unserem Fall nicht nur eine zwischenmenschliche Angelegenheit ist, sondern unmittelbar mit der Kernexpertise zu tun hat, die wir bieten. Und das ist nun einmal das Management der uns anvertrauten Assets. Mit anderen Worten: Wenn die fachliche Grundlage passt, ist die menschliche Komponente für beide Seiten eine wunderbare Draufgabe.“
Dass sich Christian Nemeth als Broker oder Asset Manager hinter seinen Terminals verbarrikadiert, war für ihn nie eine Option. Er, der sich — aus der Großfeldsiedlung in Floridsdorf kommend — alle Türen selbst aufgesperrt hat, wollte sich immer auch persönlich weiterentwickeln und neuen Aufgaben stellen. Dabei ging es nie um schnellen Gewinn oder plötzliche Karrieresprünge, sondern um die Ausformung eines Mindsets, das langfristig die besseren Karten hat: „Ich zähle mich als Asset Manager sicher nicht zu den schlauesten,“ meint er mit einem Augenzwinkern, „es gibt da sicher noch viel akribischere, die ihr ganzes Leben in den Zahlen verbringen und dabei auch noch genial sind. Aber ich verstehe mein Handwerk, bin zäh und richte den Blick immer auf das größere Ganze. Das zahlt sich irgendwann aus. Davon war und bin ich überzeugt.“

Keine falsche Bescheidenheit
Zugegeben: Bescheiden klingt das nicht. Aber überheblich eben auch nicht. Diese Klarheit in der Selbsteinschätzung kombiniert mit der Einsicht, dass nicht mit Talent, sondern nur mit unbedingter Fokussierung, die Big Points gemacht werden — egal, ob im Sport oder im Business —, ist eine Kombination, die Christian Nemeth auszeichnet. Verstellung ist ihm fremd. Die Rolle, die ihm sein Beruf bietet, lebt er so, dass sie mit seiner Person zusammenpasst. Dass auch die Bank, für die er seit 2011 arbeitet, keine Verrenkungen unternimmt, wenn es darum geht, Kunden zu gewinnen, scheint alles andere als ein Zufall zu sein: „Natürlich wollen wir auch neue Kunden ansprechen, aber wir sind davon überzeugt, dass es den Menschen, die ihr Vermögen bei uns anlegen, um ähnliche Werte geht. Wer Halbseidenes oder Zockermentalität von einer Bank erwartet, kann sich den Weg zu uns ersparen. Wir machen sauberes, solides Business. Wir stehen für eine Geldanlage, die Bestand hat.“
So gerade wie dieses Statement ist auch der Zugang von Christian Nemeth zu seinen Kolleg:innen: „Wenn ich mit jemandem zusammenarbeite, ist mir Augenhöhe wichtig. Diese verlangt aber auch, dass man sich fachlich und persönlich respektiert. Nur so zu tun, als ob, finde ich nicht wertschätzend und wird langfristig auch nicht funktionieren.“ Diese Klarheit machte ihn auch für Hermann Wonnebauer zum idealen Partner, als er ihn 2011 in die ZKBÖ holte. Karrieretechnische Überlegungen waren für Christian Nemeth bei dieser Entscheidung definitiv nicht an erster Stelle: „Ich erinnere mich genau. Es war direkt nach einem Urlaub in Thailand. Drei Wochen relaxen, schnorcheln, laufen, schwimmen, gutes Essen — einfach wunderbar. Und dann war ich wieder im Office und hatte 1000 mehr oder weniger sinnlose Mails in meiner Inbox. Ich war 38 und dachte mir: ‚Wenn das jetzt mein Leben ist, für die nächsten 20 Jahre, dann drehe ich durch.‘ Ich griff zum Telefon, habe den Hermann angerufen und gesagt: Ich bin so weit. Dann ging alles ganz schnell.“

Die soziale Funktion von Entscheidungen
Entscheidungen treffen. In der Abgeschiedenheit am Analyse-Back-End. Und am Front-End, wo das Leben konkret ist. Alleine als Asset-Manager, aber auch — immer wieder und immer öfter — im Team: „Den Teamplayer in mir habe ich nach und nach erst entdecken müssen. Dazu bin ich nicht geboren,“ gibt Christian Nemeth unumwunden zu und führt schon wieder nach Direktpunkten: „Manchmal ist es schon recht anstrengend, wenn du alles durchdiskutieren und durchdeklinieren musst, obwohl du für die Entscheidung niemanden mehr bräuchtest — oder glaubst, niemanden mehr zu brauchen. Deswegen bin ich — wahrscheinlich auch durch meine Sozialisation als Zahlenmensch und Analytiker — nicht der geborene Teamplayer. Aber ich habe den Input von anderen immer mehr schätzen gelernt.“ Heute weiß er, dass auch die beste Entscheidung — ganz allein getroffen — nach ein paar Metern zu hinken beginnt, weil ihr am Ende die Akzeptanz fehlt. Und er weiß, „dass Ergebnisse nicht alles sind. Es ist auch der Weg dorthin, der zählt.“

Seit Christian Nemeth 2016 im Vorstand sitzt, ist ihm die soziale Dimension von Entscheidungen immer wichtiger geworden; das Fingerspitzengefühl, die anderen zum richtigen Zeitpunkt ins Boot zu holen und damit das Gefüge zu stärken. Heute liegt die vertraute Brille des Asset-Managers zwar immer noch in seiner Nähe, die Zeit des einsamen Kopfarbeiters ist jedoch längst vorbei: „Mein Blick ist in jeder Hinsicht ganzheitlicher und meine Arbeit noch dialogischer geworden. Das hat mit der Unterschiedlichkeit der zu berücksichtigenden Zugänge und der Größe der Verantwortung zu tun.“
Vor diesem Hintergrund scheint der Vorstandsvorsitz, den Christian Nemeth von Hermann Wonnebauer im Juli 2023 übernimmt, nur ein weiterer Puzzle-Stein einer in sich stimmigen und unaufgeregten Entwicklung. Aber davor geht es nochmal zum Radfahren nach Mallorca. Im Team. Auch, um wieder mal auszutesten, was geht — und wie gut Körper, Geist und Wille zusammenspielen. Und dann, wird er sich seiner neuen Aufgabe stellen. Mit Demut, mit Respekt und der ungetrübten Lust, „noch einen Schritt weiter in die Gestaltung zu gehen“.
Christian Nemeth
- Seit 2025: LLB Bank AG, Vorsitzender des Vorstandes
- Seit 1.7.2023: Zürcher Kantonalbank Österreich AG, Vorsitzender des Vorstandes
- Seit 2016: Zürcher Kantonalbank Österreich AG, Mitglied des Vorstandes
- 2011 – 2015: Zürcher Kantonalbank Österreich AG, Chief Investment Officer
- 2000 – 2011: Sal. Oppenheim jr. & Cie (Österreich AG), Chief Investment Officer
- 1995 – 2000: Creditanstalt-Bankverein bzw. Capital Invest KAG, Finanzanalyse und Fondsmanagement
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